Chronik 150 Jahre - 1929 - 60 Jahre
In den folgenden Jahren vollzog sich eine Neuordnung, sie war von dem Gedanken beseelt, dass das Aufgabengebiet der Feuerwehr dem Nächsten zu helfen, keine Gemeinde- oder Stadtgrenzen stören darf. Im März des Jahres 1929 kam es zum Zusammenschluss aller Wattenscheider Wehren, zum Stadtverband. Die Leitung des Stadtverbandes übernahm Bürgermeister Borgloh als ihr Branddirektor. Zum 60-jährigen Feuerwehrfest konnte dann wieder ganz groß gefeiert werden.
Hier ein Auszug aus der Wattenscheider Zeitung vom 24. August 1929:
„Wattenscheid prangt im Fahnen- und Flaggenschmuck. Die Stadt hat ihr dunkles Arbeitskleid abgestreift und ein frohes Festkleid angelegt. Gilt es doch das 60-jährige Jubelfest des 1. Löschzuges der Freiwilligen Feuerwehr freudig zu begehen und damit Dank und Anerkennung zum Ausdruck zu bringen, die wir der edlen Feuerwehrsache, den wackeren Feuerwehrleuten zollen. Die in aufopfernder, selbstloser Hingabe, Gut und Leben des Nächsten vor den vernichtenden Flammenentfesselter Naturelemente schützen.“
Zum 60-jährigen Jubiläum fand in Wattenscheid auch ein großer Festumzug statt. Darüber wurde berichtet:
Der Ausmarsch begann um 15:15 Uhr. Die Spitze des Zuges bildeten das Trommlerkorps des Löschzuges 1 und die Scholvensche Kapelle. Festausschuss und Delegierte aus allen Teilen des Verbandsgebietes schlossen sich an. Der Stadtverband Wanne-Eickel folgte mit den Wehren Eickel 1876, In der Wanne, Bickern-Crange, Wanne-Hafen, Röhlinghausen, Holsterhausen und die Wehr der Zeche Shamrock 3-4. Der Stadtverband der Freiwilligen Feuerwehren Wattenscheid, (die Wehren von Höntrop, Westenfeld, Sevinghausen (Gegründet 1924), Eppendorf, Günnigfeld, der 1. Löschzug „Altstadt“ und der 2. Löschzug „Heide“. Dahinter folgte die Sanitätskolonne vom Roten Kreuz. Anschließend die Wehren Bochum-Hamme, Bochum-Altenbochum, die Werkfeuerwehr Zeche Holland, Niederwenigern-Dumberg, die Freiwillige Feuerwehr Gelsenkirchen und Dahlhausen (Damals noch eigenständig).
Gegen 16:30 Uhr war der Festzug wieder auf dem Gertrudisplatz angelangt. Vor vielen Tausenden von Zuschauern fanden dort die vorgesehenen Festübungen statt. An dem festlich bekränztem Steigerturm ‚der anlässlich der Jubelfeier verbreitert worden war, führten 18 Steiger Schulübungen, mustergültig, unter der Leitung des Führers der Steigerabteilung Ostermann aus. Die Wehrleute der Spritzmannschaft unter Leitung ihres Führers Wilhelm Leppler bewiesen ihre große Schulung an der Motorspritze. Den Abschluss dieser Übungen bildete eine große Angriffsübung auf das Haus Brinkstraße 8.
Abbildung 6: Angriffsübung Brinkstr. 8 und Erweiterter Steigerturm
Abbildung 7: Der Vorstand des Löschzuges 1 im Jahre 1929
Vordere Reihe v.l.n.r. Führer der Hornistenabt.: Oliver, Führer der Steigerabt.: Ostermann, Brandmeister Schürmann, Führer der Spritzenmannschaft: W. Leppler. Hintere Reihe v.l.n.r. Gerätewart Recke und der Führer der Ordnungsmannschaft Henschel.
Im Jahre 1929 erfolgte auch die Lieferung eines automobilen Löschzuges, bestehend aus einem Mannschaftswagen, und einer Motorspritze. Damals über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und vertrieben als „Modell Wattenscheid“ welche im Auftrag der Stadtverwaltung bei der damals schon bekannten „Turn und Gerätefabrik Heinrich Meyer aus Hagen i. W.“ geplant und hergestellt wurde. Parallel dazu wurden auch Anstrengungen unternommen, um auf Stadtverbandsebenen eine Einheitsausbildung voran zu treiben.
Abbildung 8: Mannschaftstransportwagen mit angehängter Spritze: Der Stolz der Feuerwehr im Jahre 1929. Foto: Stadtarchiv
So schreibt die WAZ (Wattenscheider Allgemeine Zeitung) am 14.Mai 1929:
Um das Ziel einer Einheitsausbildung zu erreichen, hat die Leitung des Stadtverbandes der FF der Stadt Wattenscheid für den 13/14. Mai auf dem Feuerwehrübungsplatz (damalige Rathausstr.) einen Kursus „für Führer und Unterführer“ unter der Leitung des Brandmeisters Gellings von der Berufsfeuerwehr in Münster durch Vermittlung des Westfälischen Feuerwehrverbandes eingerichtet.
Das Ziel der damaligen Zeit war es schon vorab den „Einheitsfeuerwehrmann“ auszubilden, welcher jedes Gerät und jede Aufgabe als auch jede Tätigkeit innerhalb eines Einsatzes ausüben sollte. Dieses Thema wurde maßgeblich auf dem 20. Deutschen Feuerwehrtag in Breslau (1928) in einem Vortrag behandelt und von dort nach Wattenscheid mit nach Hause gebracht.
Zusätzlich ließ die neue Motorisierung die bestehenden Löschzüge mit guter Dinge in die neue Zukunft blicken. Dennoch waren grade in den schwierigen Jahren der Weimarer Republik (1918-1933) schon damals Sparmaßnahmen und Haushaltssperren bei den Feuerwehren und der Stadtverwaltungen an der Tagesordnung, sodass nach den ersten Reformen Ende der 1920er Jahre und dem Neukauf des Motorisierten Löschzug diese nicht vor dem Stadtverband und der Feuerwehr Halt machten.
So wurde nach der Neustrukturierung der Landesverbände und der Auflösung des Emscher-Gau Feuerwehr Verbandes, zu welchem die noch eigenständigen Löschzüge der Freiwilligen Feuerwehr in Wattenscheid gehörten, beschlossen, sich gemeinschaftlich in einen Stadtfeuerwehrverband neu zu organisieren.
Am 06. September 1931 beschloss man auf der Stadtverbandsversammlung, anlässlich des 40-jährigen Bestehen der dortigen Feuerwehr in Eppendorf, die Auflösung der Löschzüge Sevinghausen und Westenfeld. Die Tagesordnung wies eine ganze Reihe wichtiger Fragen auf, von denen die der Gründung der Alters- und Ehrenabteilung in allen Löschzügen entscheidende Veränderungen herbeiführte. Der nächste Verbandstag wurde ein Jahr später am 09. Dezember 1932 in Höntrop abgehalten. Er fiel mit dem 30jährigen Bestehen der Höntroper Wehr zusammen. Inzwischen war die Motorisierung der Löschzüge Wattenscheid l und Höntrop so weit fortgeschritten, dass die Wehren Westenfeld und Sevinghausen aufgelöst werden konnten. Der Feuerlöschdienst für diese Bezirke wurde den Löschzügen Altstadt und Höntrop übertragen.
Im März des Jahres 1933 wurde durch das neue Preußische Gesetz über das Feuerlöschwesen eine neue Grundlage gelegt. Der schon von vielen Feuerwehren vorangetriebenen „Einheitsfeuerwehrmann“ wurde Gesetz. Gleichzeitig zur Umorganisation, welche von der Preußischen Regierung auf die Wege gebracht wurden, rüstete man sich vermeintlichen neuen Gefahren.
So wurden schon ab 1931 Sitzungen und Planungen zum Aufbau eines zivilen Luftschutzes abgehalten und Vorbereitungen für die Gefahrenabwehr in Wattenscheid zu treffen. Nicht zuletzt auch die Erfahrungen aus den Luftangriffen aus dem Bereich des 1. Weltkriegs welche einige Männer in ihrer Wehrdienstzeit gesammelt hatten, bestand ab 1932 ein fester Plan für den zivilen Luftschutz in Wattenscheid.
So wurden nach den vorhandenen Polizeibezirken des Stadtbezirks die jeweiligen Luftschutzbezirke festgelegt in denen die sogenannten Löschbezirke an die vorhanden Freiwilligen Feuerwehren aufgeteilt und nach Bedarf mit den Bereitschaftskräften und den sogenannten Auffüllkräften abgelöst oder aufgefüllt worden wären.
Obwohl die Wehr Günnigfeld nicht motorisiert war, wurde auch sie jetzt an den motorisierten Fahrzeugen ausgebildet, die im Besitz des Löschzuges Wattenscheid-Altstadt waren. Die Vorzüge dieser einheitlichen Ausbildung wurden bei der großen Übung, die anlässlich der 35 Jahr- Feier des Löschzuges Günnigfeld 1935 auf dem Gelände der Zeche Hannover durchgeführt wurde und den Auftakt zu der nächsten Stadtverbandstagung bildete, überzeugend unter Beweis gestellt. Inzwischen war an Stelle von Bürgermeister Borgloh der Kaufmann W. Schürmann als Branddirektor getreten. Da auch er nun aus dem aktiven Feuerwehrdienst ausschied, musste der Kreisvorstand neu gewählt werden. Die Wahl fiel auf den Kameraden Pitschner (Löschzug Holland) als Kreisfeuerwehrführer, A. Lipowy (Löschzug Günnigfeld) als dessen Stellvertreter und Kamerad Horstmann (Löschzug l) als Geschäftsführer. Bereits am 10. März 1933 wurde durch Gesetz das Feuerlöschwesen auf eine neue Grundlage gestellt. Auf Grund dieses Gesetzes wurden die Feuerwehren in Kreisverbänden zusammengefasst, die ihrerseits zu Körperschaften des öffentlichen Rechts wurden. Die bisher dem Stadtverband Wattenscheid angehörenden Löschzüge wurden zu einer einzigen Wehr vereinigt. Die nunmehr vergrößerte Feuerwehr Wattenscheid wurde am 01.08.1934 durch den Feuerwehraufsichtsbeamten des Regierungspräsidenten, Branddirektor Dipl.-lng. Firsbach, überprüft und durch Schreiben vom 27.09.1934 als Freiwillige Feuerwehr nach den Bestimmungen des Gesetzes anerkannt.
Noch einmal im Jahr 1936 konnten die Wattenscheider Wehrmänner gemeinsam mit der Werksfeuerwehr Holland ein Verbandsfest feiern. Die Werkfeuerwehr welche als festes Mitglied auch im Stadtfeuerwehrverband vertreten war, konnte auf der Zeche Holland ihr 10-jähriges Bestehen feiern.
Im Jahr danach übergab Wilhelm Schürmann, der inzwischen zum Branddirektor befördert war, sein Amt als Löschzugführer, infolge Erreichens der Altersgrenze (1927 Einführung der Altersgrenze) an Heinrich Pitscher, der einige Jahre später aus dem gleichen Grund von Wilhelm Leppler als Löschzugführer abgelöst wurde.
Am 15. Mai des Jahres 1939 wurde dann die neue Feuerwache an der Voedestraße 18 eingeweiht. Das Alte Gerätehaus und auch der Steiger und Übungsturm in der Wattenscheider Innenstadt in der Rathausstr. hatten nach Jahrzehnten ausgedient. Waren doch schon seit Mitte der 20er Jahre, die Räumlichkeiten für das stetige Wachstum, durch die Industrialisierung der Stadt zu klein geworden. An diesem Neubau waren alle Zeichen der Umstrukturierung des Feuerlöschwesens in Wattenscheid sichtbar. So wurden nach den Plänen des Baurat Wienke nicht nur die bis daher ausquartierte Büroräume mit in den Neubau untergebracht, sondern, unter anderen war eine berufliche Wachmannschaft von sechs Feuerwehrmännern, ein Hauptpunkt dieser Umorganisation.
Die Neue Wache beinhaltete:
- 8x Garagen für Kraftfahrzeuge
- Eine Schlauchwerkstatt
- Eine sogenannte Schlauchreparaturwerkstatt
- Trockenturm / Schlauchturm
- Sanitäts- & Verbandsraum
- Prüfraum für Gasgeräte (Später Heeresatmer)
- Bekleidungskammer
- Nach damaligem Maßstab „moderne“ Badeeinrichtung
- Mannschafts- und Ruheräumen
- Zusätzlich anliegende Reparaturwerkstatt (Schreinerei & Schlosserei)
Abbildung 9: Heeresatmer (Atemschutzgeräte) Prüfraum Wache Voedestrasse
Die Wache selbst verfügte auch über sehr moderne Meldetechnik wie Beispielsweise ein Sirenensystem der Firma Siemens & Halske inkl. Meldeanlage, welche im Kellerraum verbaut wurde. Auch verzichtete man nicht vorrausschauend auf einen Luftschutzraum, welcher für 215 Personen ausgelegt war. Parallel dazu hatte man zweckmäßig in der Nähe der Wache ein Gebäude des Deutschen Roten Kreuzes errichtet. Welches schon damals für den Krankentransport innerhalb der Stadt verpflichtet worden war.
Abbildung 10: Moderne Leitstelle/Meldetechnik
Im darauffolgenden Jahr 1940 wurde Adolf Redemann die Leitung des 1. Löschzuges übertragen. Schon knapp ein Jahr nach dem Kriegsbeginn, wurde das Eigenleben der Löschzüge stark in den Hintergrund gedrängt und viele Feuerwehrleute wurden in die Wehrmacht eingezogen. Das brachte die meisten Freiwilligen Löschzüge fast ganz zum Erliegen.
Alle Männer der Löschzüge, welche nicht eingezogen, wurden ab 1940 in die neu organisierte Hilfspolizei (im Volksmund Feuerlöschpolizei), in den Luftschutz (Sicherheit & Hilfsdienst später Luftschutzpolizei) oder in die Feuerschutzpolizei (Berufsfeuerwehr) eingegliedert.
Aufgrund der starken Industrialisierung der Zechen und den vielen Stahlverarbeitenden Betrieben in Wattenscheid und Umgebung, wurden auch viele Feuerwehrleute aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr zum Werkschutz oder den Hauseigenen Werkfeuerwehren abberufen.
Dazu kam es des Öfteren, dass während des normalen Alltags die Feuerwehrleute oft zwei Dienstherren über sich hatten, so wurde in „Friedenszeiten“ der Brandschutz sichergestellt und bei späteren Luftangriffen im Luftschutz und bei der Luftschutzpolizei Dienst getan.
Schon bei der Planung auf Stadt oder Gauebene kam es zu abenteuerlichen Personalerhebungen, dabei kam es nicht selten vor das auf dem Papier oft einzelne Personen, welche in Kriegswichtigen Betrieben arbeiteten, 2-3 Dienstherren hatten und oftmals mehrere Funktionen und Aufgaben im Einsatz nachgehen sollten. Wattenscheid, welches im Krieg zu einem besonders sensiblen Bereich gehörte, wurde in dem Luftschutzort Kategorie I eingeordnet und wurde zusammen mit 6 weiteren Kreisfreien Städten einheitlich mit dem Luftschutz über die damaligen Stadt Bochum (Gau Hauptstadt Westfalen-Süd) geführt und organisiert. Das hatte zu folge, das grade später ab dem Jahr 1942 auch ganzen Verbände überörtlich zum Löschen der Bombenschäden bis nach Köln, Düsseldorf oder auch Aachen im Einsatz ausrücken mussten.
Auch Einsätze wie bei der Sprengung der Möhnetalsperre am 16./17. Mai 1943, wurden die Feuerwehren des gesamten Ruhrgebietes überörtlich eingesetzt. Allein bei diesem Angriff kamen an Ruhr und Möhne etwa 1400 Menschen ums Leben.
Abbildung 11: Einsatz Möhnetalsperre 1945
Spätestens ab August 1944 wurde durch einen Schnellbrief und einen Befehl des Reichsführer SS Heinrich Himmler auch die letzten Kräfte von den Vorgesetzten der Feuerschutzpolizei, Luftschutzpolizei oder ähnlichen gefordert. So wurde in der Anordnung alle kriegsfähigen Feuerwehrleute zur Meldung in den Fronteinsatz berufen. Dies erfolgte auch im ganzen Luftschutzort I Bochum, wobei knapp 90% sich „freiwillig“ meldeten.
Grade zum Ende des Krieges, kurz vor Einmarsch der Alliierten, wurden 1945 viele Feuerwehrleute zu kleineren Verbänden zusammengeschlossen und sollten sich, um Material zu sichern mit Fahrzeugen in den Raum Hagen zurückziehen. Dabei gingen viele Fahrzeuge verloren, da diese unter Beschuss gerieten oder die Fahrzeuge außerhalb des Ruhrgebiets von den Mannschaften zurückgelassen wurden. Zudem wurden auch im Bereich des damaligen Gau Westfalen-Süd, Feuerwehrleute (Welche rein organisatorisch zur Polizei gehörten) zu „Kampfgruppen“ zusammengeschlossen und zur Verteidigung an die in den vor den Toren des Ruhrgebietes liegende Einsatzfront geschickt. Der Brandschutz wurde in den letzten Tagen 1945 zumeist von Zwangsarbeitern, nicht kriegsfähigen Männer, Frauen sowie vereinzelt von Jugendlichen oder Kindern der Jugendverbände (HJ, DJ, Feuerwehrscharen usw.) sichergestellt.
Zum Glück konnten schon wenige Wochen nach der Befreiung und Besetzung der Alliierten sich die ersten Freiwilligen Feuerwehren wieder zusammenfinden. Anders als noch im ersten Weltkrieg waren viele Feuerwehrleute gefallen, in Gefangenschaft oder konnten nur noch als vermisst in den Reihen der Feuerwehren geführt werden. Bemerkenswert scheint auch aus heutiger Sicht, das schon bereits einige Monate nach Kriegsende die ersten Versammlungen auf Stadtebene stattfanden und von den damaligen Löschzügen welche vor dem Krieg auf Wattenscheider Gebiet existierten, nach dem Krieg auch von jedem alten Löschzug eine Abordnung teilnehmen konnte.
Die Gepflogenheit einer ständig besetzten Feuerwache, wurde nach dem Kriege wiederaufgenommen. Das Gebäude an der Voedestraße war erhalten geblieben, wenn auch bei Bombenangriffen teils beschädigt. Und der 1. Löschzug fand hier neben den hauptamtlichen / beruflichen Kräften eine Unterkunft.